Showtime! Chorkonzert aufnehmen.

Ich singe in einem Chor, dem Jungen Chor Hannover (Website). Im Sommer 2024 haben wir ein Programm mit dem Titel Showtime in zwei Konzerten aufgeführt in dem wir einige Stücke aus bekannten Musicals dargeboten haben. Natürlich mit glitzerndem Show-Outfit, mit Bühnenbild, Beleuchtung und mit Choreographien. Das ist sehr viel Arbeit für alle Beteiligten gewesen, weshalb auch die Idee aufkam die Konzerte festzuhalten. Deshalb, und keinesfalls weil ich mir das Tanzen-Lernen ersparen wollte, habe ich mir diese Aufgabe angenommen und habe die beiden Konzerte mit Kameras zu begleitet. Ziel war es auch das Konzert dann dem regionalen Bürger*innenfernsehsender h1 (Website) zur Verfügung zu stellen. Das Video gibt es auch online:

Showtime: Ein Hauch von Broadway. (Youtube)

In diesem Blogpost will ich einmal darstellen, wie ich vorgegangen bin und was ich für künftige Aufnahmen gelernt habe. Natürlich war ich nicht alleine, sondern wurde von 3 Kameraleuten unterstützt.

Aufbau

Der Konzertraum war eine Aula einer Schule in Hannover, ein relativ breiter Raum mit 2 Blöcken an Stühlen getrennt von einem Gang nach vorn zur Bühne. Es gibt eine feste aber verschiebbare Beleuchtung, die ein Schüler der Schule bedient hat. Das gesamte Programm findet auf der Bühne statt. Der Chor stand zentral, links daneben war eine kleine Band aus einem Pianisten, einem Bassisten und einem Drummer aufgebaut.

Wir haben 3 Kameras verwendet, konkret Sony Sony PXW-X70, 2 davon standen ganz hinten gerade zur Bühne ausgerichtet (die habe ich K1 und K3 genannt). K2 steht rechts neben dem Publikumsblock, relativ nach zur Bühne. K1 und K2 haben wir eher für Mittelnahaufnahmen verwendet, wo einzelne Personen oder Stimmgruppen im Bild sein sollten. K3 sollte immer den gesamten Chor im Bild halten. K3 hatte ein defektes Einstellrad, musste also sowieso im Automodus verwendet werden. Die Kamera entschied also sowieso über die Belichtung -- trifft sich also eigentlich ganz gut dass die Kamera ein recht statisches Bild liefert. Alle Kameras waren auf Stative montiert und blieben dort über das gesamte Konzert. Die Kamera waren etwas über Kopfhöhe.

Diese speziellen Kameras haben zwei Aufnahmemodus AVCHD und XAVC. Wir haben bei der Generalprobe herausgefunden dass diese Kameras in XAVC erstmal alle Audioquellen einzeln aufnehmen, mehr Bitrate liefern und nicht in 4GB große Dateien splitten, in AVCHD aber schon. Da wir Techniker sind und auf große Zahlen stehen, wollen wir natürlich maximale Qualität und haben in XAVC aufgenommen. Bei der Generalprobe haben wir uns auch Werte für den Weißabgleich ausgesucht und grobe Werte für die Blenden und Shutterspeed herausgefunden, die wir beim Konzert benutzen könnten.

Bei diesem Dreh ist der Abstand zum Chor konstant, also macht es Sinn einmal entweder manuell oder automatisch den Fokus zu ziehen und dann zu sperren oder auf manuell umzustellen. Die Kameras können zwar Autofokus, wenn die aber aus irgendeinem Grund den Punkt verlieren und wir dann ständig Fokusbreathing im Material haben ist das eher unschön. Insbesondere die hinteren beiden Kameras haben wir im manuellen Fokus betrieben und nur ganz zum Schluss am Fokusring gedreht.

Wir haben 3 Mikrofone an die Kameras angeschlossen, 2 davon an K2, die Kabel haben wir an die Stufen der Bühne gelegt. Diese beiden Mikrofone haben wir recht weit rechts und links vor die Bühne gestellt. Die Hoffnung war, dass wir damit einzelne Stimmgruppen gesondert auf die Aufnahmespuren bekommen, das hat halbwegs geklappt. Ein weiteres Mikrofon haben wir in die Mitte, leicht neben dem Chorleiter gestellt und an eine der Kameras hinten angeschlossen. Der Chor selbst nimmt die eigene Konzerte selbst mit einem Zoom-Recorder auf, der etwa in der Mitte des Publikumsblocks stand.

Der Aufbau hat recht gut funktioniert. K1 und K2 haben sehr verschiedene Bildausschnitte geliefert, besonders bei Moderationen. K1 und K3 haben manchmal zu ähnliche Bilder aufgezeichnet, insbesondere am Ende von Stücken oder beim abschließenden Applaus wenn K1 weit rausgezoomt war.

Das Equipment hat wie abgemessen in ein Lastenrad von Hannah gepasst, das ist ein Lastenrad-Leihdienst vom ADFC. :D

Bearbeitung

Nach den Konzerten hatte ich dann insgesamt etwa 8 Stunden Material: 2 Konzerte, 3 Kameras, jeweils etwas über 1 Stunde Material. Wie bearbeitet man das jetzt?

Es gibt viele Programme zum Bearbeiten von Videos, ich habe mich für KDEnlive entschieden, ein freier, open-source nicht-linearer Videoeditor. KDEnlive hat die positive Eigenschaft, dass es einerseits quasi alle Formate, die ffmpeg versteht, importieren kann, es kann Proxy-Clips, also heruntergerechnete Clips zur schnelleren Bearbeitung, erzeugen und hat einen Multi-Cam Modus, bei dem man alle Spuren gleichzeitig gezeigt bekommt und durch Zahlentasten aussuchen kann, welcher Feed im fertigen Projekt landen soll.

Seid nun so schlau und erstellt, anders als ich, ein Projekt mit Stereo Audioausgabe. Ich hatte mich für ein 5.1 Audiosetup entschieden und keine Möglichkeit gefunden das zu ändern wenn das Projekt einmal aufgebaut ist. Fürs Fernsehen reicht Stereo problemlos aus, es sei denn ihr wisst genau was ihr da tut. Jetzt bekam ich aber nur Video mit 5.1 Audio aus dem Programm, was immer etwas komisch klang. Ich habe das dann mit Audacity und ffmpeg gelöst, aber das hatte eine Menge unschöne Nebeneffekte.

Aber erstmal die Videos importieren. Jetzt kann man überlegen ob man direkt Proxy-Clips anschaltet, damit die Bearbeitung flüssiger abläuft oder ob man den Grobschnitt mit voller Auflösung machen will. Dann sollte der Rechner aber gut genug sein. Ich empfehle euch die Videos gut zu sortieren -- pro Aufnahmetag und am besten auch nach Kamera wenn ihr mehrere Clips habt. Nun kommt der schwierige Teil -- die Videos zu synchronisieren.

Am einfachsten ist es, wenn wir ein lautes, kurzes Geräusch haben, um die Videos zu synchronisieren -- im Idealfall sowohl im Audio als auch auf der Videospur. Dieses Geräusch, bspw. ein Klatschen, können wir dann benutzen um die Peaks im Audio direkt übereinanderzulegen. Wenn nun das Geräusch genau beim Zusammenschlagen der Hände kommt, haben wir die Videos korrekt synchronisiert. Das habe ich nicht gehabt, also musste ich mir andere Geräusche suchen, und dann die Audiospuren immer wieder einzeln anschalten um zu sehen dass sie wirklich aufsynchronisiert sind. Beim nächsten Mal, werde ich ein Synchronisationsklatschen verwenden.

Schnitt

Alle drei Clips sollten übereinander liegen, dann kann über Werkzeug -> Multikamera Werkzeug in die Multicam-Anzeige umgeschalten werden. Jetzt sehen wir die drei Videofeeds im Projektmonitor. Drücken wir nun 1, 2 oder 3 schalten wir zwischen den Spuren um. KDEnlive setzt das so um, dass alle anderen Spuren dabei ausgeschnitten werden, seit dem letzten Schnitt. Das ist eine nette Lösung, hat aber den Nachteil, dass ihr sehr viele kleine Clips (zum Glück auf ihren eigenen Spuren) habt. Mit dem Multikamera Werkzeug kann der Grobschnitt recht problemlos gemacht werden. Natürlich machen wir hierbei Fehler oder das Timing stimmt nicht ganz genau. Wir müssen ohnehin noch ein paar mal über das Projekt drübergehen und genauer schneiden oder Belichtung anpassen.

Beim Grobschnitt habe ich mir mit Hilfslinien Notizen gemacht -- wo beginnt welches Lied, wo ist Moderation, etc. Jetzt kommen 1-2 Durchgänge des genauen Anpassens. Hier geht es darum Cuts richtig auszurichten. Ich habe mich versucht am Takt der Musik auszurichten. Achtet unbedingt darauf die Clips nicht zu verschieben, sondern erst nach vorne/hinten zu verlängern, und dann zu verkleinern, damit KDEnlive die richtige Videostelle rauskramt.

Ich habe hier zunächst beide Konzerte angeschaut und grobgeschnitten. Theoretisch wäre es so möglich gewesen ein Lied was bei einem Konzert nicht geklappt hat, durch das vom Anderen auszutasuchen. Davon abgesehen dass das auffällt, habe ich das nicht gemacht, weil am Sonntag quasi alles ohnehin besser war. Außerdem macht das in diesem Setup massenhaft Arbeit, denn auch die Audiospuren wollen sauber eingefügt werden, was nicht immer einfach ist. Am Ende habe ich mich nach dem Grobschnitt für den Sonntag entschieden, und den anderen Drehtag abgeschrieben.

Audio

Bislang habe ich mich hauptsächlich mit dem Video beschäftigt. Ich habe mich nach dem Schneiden dafür entschieden die Audiospuren externn in Audacity bearbeiten zu wollen. KDEnlive bietet grundlegende Features um Audio zu bearbeiten, es gibt einen einfachen Mixer und es gibt ein paar Filter und Effekte, aber am Ende habe ich deutlich mehr gemacht. Und durch den Fehler mit dem 5.1 Projekt blieb mir eigentlich auch keine andere Wahl mehr. Um keine Verluste durch Komprimierung zu haben, habe ich die Audiospuren in KDEnlive einzeln nach FLAC exportiert und dann in Audacity importiert. FLAX ist ein Format, was verlustfrei komprimiert, d.h. das Audiosignal bleibt beim Abspeichern vollständig erhalten. Die Audiodateien sollten im Audacity aufeinanderpassen. Hier müssen wir uns aber sicher sein, dass wir nichts am Video mehr schneiden wollen -- sonst haben wir ein riesiges Problem.

Nun geht es erstmal darum die Mikrofone richtig abzumischen. Wo stand welches Mikrofon, welche Spur ist rechts, welche links? Wir hatten links ein Piano stehen, sodass auch im Audio leicht links das Piano stärker durch kommen sollte, und die linkeren Mikros das Piano lauter aufgenommen haben. Ich habe die Mikros ganz vorn an der Bühne auf 100% links und 100% rechts gestellt, und den Zoom-Recorder auf 40% links/40% rechts. Das Mikrofon mittig vorn an der Bühne war leider zu stark übersteuert (passt auf eure Mikrofon-Einstellungen auf!), sodass ich das nur für Soli benutzt habe, um die Solist*innen besser aus dem Chor rauszuholen.

Dann geht es weiter zur Bearbeitung des Audios. Die Moderationen waren bei mir recht leise, die habe ich verstärkt. Geht der Applaus los, bevor die Moderation endet, muss abgewogen werden, ob es wichtiger ist den Satz zu verstärken oder dass der Applaus nicht zu laut wird. Eventuell wurde der Satz ohnehin danach neu angefangen, dann können wir die Moderation vom Applaus auch verschlucken lassen. Dafür waren einige Stücke etwas zu laut, die habe ich verringert. Wichtig war, dass beim abschließenden Mischen keine Stellen übrig bleiben, die Clippen, also aus dem maximalen Bereich herausreichen, dann entstehen unangenehme Kratzgeräusche.

Zusammenführen

Durch meinen kleinen Fehler am Anfang musste ich das Audio nachträglich auf das Video legen. Ich habe im KDEnlive auch nicht genau bei 0 angefangen, also habe ich sowohl im KDEnlive, als auch im Audacity einen Teilbereich markiert und nur den Teilbereich exportiert.

Dann mithilfe von ffmpeg das exportierte FLAC aus Audacity auf das Video aus KDEnlive gelegt, dabei das originale Audio ersetzt. Das geht relativ schnell (in meinem Fall in 20-facher Geschwindigkeit), weil das Video nicht neu einkodiert werden muss. Wichtig ist dann, genau hinzuschauen ob das Audio synchron ist.

ffmpeg -i video.mp4 -i new_audio.flac -c:v copy -map 0:v:0 -map 1:a:0 c:a aac -b:a 320k output.mp4

Probeschauen

Ganz zum Schluss habe ich mehrfach über das fertige Video drübergeschaut, auch in verschiedenen (ok, 2) Soundsetups und ich habe es auch dem Chor gegeben zum Probeschauen. Hier geht es darum Fehler zu finden. Wo sitzt der Schnitt nicht korrekt. Gibt es Bilder nicht schwarz sind, gibt es welche die zu dunkel/zu hell sind? Gibt es welche die nicht hübsch sind und ausgetauscht werden könnten? Passen die Überblendungen?

Learnings

Was habe ich am Ende also gelernt?

Absprachen sind wichtig, besonders bei der Belichtung

Wenn man durch das Video durchschaut sieht man dass K1 manchmal etwas zu dunkel ist, die anderen Kameras aber meistens ein relativ gutes Bild liefern. Zugegeben waren die Lichtverhältnisse für die Kameras schwierig, einige Sänger*innen sind sehr hell beleuchtet, einige standen eher im Schatten.

Gute Absprachen machen hier aber das Leben des Cutters einfacher -- welche Belichtung stellen wir ein, damit halbwegs vergleichbare Bilder rauskommen. Da eine der Kameras nur auf Auto laufen konnte, hätten wir die Belichtungseinstellungen einfach den Kameras überlassen können, dann wären recht vergleichbare Bilder rausgekommen. Haben wir aber nicht. Dann mussten einige Stellen halt nachträglich angehoben werden, was zum Glück nicht so sehr auffällt, aber es ist einfach Arbeit, die man sich sparen könnte. Und dann muss es überall gemacht werden.

Idealerweise könnte man das per Intercom absprechen, oder man müsste sich die Einstellungen festlegen, was wieder das Potential hat, dass die Einstellungen nicht passen, wenn sich das Licht ändert.

Video ist kein Foto. Beim Fotografieren belichtet man eher etwas unter "expose to the right". Dabei geht es darum, dass im Histogram keine Pixel ganz weiß sind, dann ist die Information in den Details dieser Bildstellen komplett verloren. Schatten holt man meist recht gut aus den RAW-Dateien in der Nachbearbeitung heraus, weil noch recht viel Information auch in dunklen Stellen gespeichert ist (insbesondere bei 14 Bit Aufnahmen), komplett weiß Pixel, also überbelichtete Pixel enthalten aber keine Details mehr, die man retten könnte.

Video ist aber kein Foto. Außer ihr habt gute Cine-Kameras, werden direkt komprimierte Videos aufgenommen. Wir haben die Kameras auf eine hohe Bitrate eingestellt, aber dennoch ist es komprimiert und auch nicht mit 14 Bit Farbtiefe. Ein paar Stufen kann man sicher hochziehen -- das musste ich am Ende sogar, aber das geht nicht unendlich weit. Deshalb solltet ihr versuchen eher "mittig" zu belichten. Dann sind halt ein paar Stellen weiß, das ist meist zu verkraften, mehr jedenfalls als wenn das Bild einfach zu dunkel wird. Insbesondere wenn kein Film gedreht wird, sondern "nur" ein Livekonzert fürs Fernsehen aufgenommen wird, macht es mehr Sinn direkt Bilder aufzunehmen die sendbar sind.

Eure Einstellungen genau betrachten

Dass das Mikrofon vorne mittag an der Bühne deutlich zu laut war, ist eindeutig mein Fehler. Hier habe ich vergessen nochmal auf die Audio-Ausschläge zu schauen und nachzukorrigieren. Am Ende ist das hier nicht kritisch gewesen und eventuell sogar ganz gut, so konnten die Solist*innen besser verstärkt werden, aber es hätte problematisch sein können. Plant also genug Back-up ein, dass ihr auch mal was verkacken könnt und dann trotzdem noch ein Video habt.

Totale sind kein Allheilmittel

Vor der Aufnahme habe ich mir die K3 als Backup vorgestellt - die Kamera nimmt sowieso eine Totale auf, da ist alles drauf, falls K1 und K2 mal kein brauchbares Bild liefern. Das stimmt manchmal, aber manchmal auch nicht. Wenn die Kameras zu ähnliche Bilder liefern, ist ein Schneiden von K1 auf K3 eher hässlich. Zu lange auf der Totalen zu bleiben wirkt auch ziemlich langweilig und undynamisch. Hier kann man das sogar noch fast verkraften, weil man dann wenigstens die ganze Choreo sieht.

Und an einer Stelle stand jemand direkt vor K1 und K3 auf, was natürlich die Shots ruiniert hat. Hätten wir das vermeiden wollen, hätten wir die Kameras höher stellen müssen und ggf. weiter auseinander.

Fazit

Am Ende war das haufenweise Arbeit, auch weil ich beim Aufnehmen mir nicht genug Gedanken gemacht habe oder bestimmte Dinge einfach nicht beherzigt habe. Dennoch ist ein sehr hübsches Video rausgekommen, auf das ich auch sehr stolz bin. Am Ende habe ich knapp 4,5 Monate gebraucht bis das Video fertig war. Das ist nicht mein Vollzeitjob und so bleiben halt nur noch Wochenende an denen man mal Lust darauf hat. Insgesamt eine Zeitspanne die vertretbar ist, zumal wir ja keinen Zeitdruck in der Nachbearbeitung gehabt haben.

Abschließend danke an meine Kameraleute. Und natürlich an den Chor, der das Experiment mitgemacht hat :D

Letzte Bearbeitung: 03.05.2025 14:00